Drei goldene Regeln
Drei goldene Regeln: Future-Friendly-Web
Warum Kai Ebert für eine nachhaltigere Strategie in der digitalen Welt plädiert
Die digitale Welt differenziert sich immer weiter aus, der digitale Layer legt sich über alles, es ist mehr denn je „unstable media“. Alle versuchen der digitalen Komplexität irgendwie Herr zu werden. Von 360-Grad über Multi- bis Omnichannel. Viele haben dabei auf die Plattformen der GAFAs dieser Welt gesetzt und zahlen jetzt den Preis, da sie Ihre eigenen Kanäle sträflich vernachlässigt haben.
Das ist in etwa so, als ob ich mit meinem Laden in ein Einkaufszentrum ziehe, weil ich mir dort mehr Laufkundschaft verspreche als in der Fußgängerzone. Die Fußgängerzonen veröden, die Leute gewöhnen sich an Einkaufszentren. Ist ja auch alles schön convenient, alles an einem Ort. Die Einkaufszentren erhöhen ihre Mieten. Ich kann aber nur schwer zurück, weil kein Mensch mehr durch Fußgängerzonen läuft.
Was aber, wenn eine auf Google und Co. ausgerichtete Microsite nicht reicht? Was, wenn global zwei HR-Systeme, ein CRM und möglichst auch noch ein Shop integriert werden sollen? Dann wird gerne zu einer der eierlegenden Wollmilchsäuen im Enterprise-CMS Bereich gegriffen und man hat einen Relaunch von mindestens 3 Jahren vor sich, der im worst case dann auch noch schief läuft. Man denke an das jüngste Beispiel Hertz.
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Wer sein Projekt, egal ob Enterprise oder Open-Source, von Beginn an richtig und mit Blick auf die Zukunft (ohne diese genau zu kennen) aufsetzt, der wird beim nächsten Relaunch deutlich weniger Schmerzen verspüren und viel Geld sparen. Es geht insbesondere um die Haltung aller Akteure.
Hier meine drei goldenen Haltungs-Regeln für ein besseres, ein Future-Friendly-Web:
1. Form folgt Funktion: Der Inhalt macht die Spielregeln. Niemals anders herum.
Jede Kommunikation, jede Interaktion hat bleibende Konstanten und solche, die sich mit dem Kontext verändern. Eine Website lebt nicht im selben Kontext wie ein Sprachinterface oder ein Plakat. Trotzdem folgen alle einer bleibenden Konstante: dem Inhalt. Inhalt ist die einzige Komponente, die wir nicht einfach weglassen können. Man könnte sagen: Content first. Doch ist uns Content einfach zu inhaltsleer. Inhalt ist Bedeutung, Botschaft und Funktion. Alles andere ist Form. Und die folgt bekanntlich der Funktion.
2. Übersicht durch Grenzen: Trennung ist die Voraussetzung für Zusammenspiel.
Da Inhalt die Konstante ist und Form durch den Kontext bestimmt wird, trennen wir beide konsequent voneinander. Ein Autor muss den reinen Inhalt fokussieren, ein Gestalter das visuelle Design, ein Entwickler den Code, ein Architekt die Struktur der Daten. Ihre holistische Aufgabe ist es, ein harmonisches Gesamtbild des Inhalts für einen konkreten Kontext zu entwickeln, es in seine Einzelteile zu zerlegen und einen Bauplan zu hinterlassen. Ändert sich der Kontext, erstellen wir oder andere einen neuen Bauplan. Dabei können neue Einzelteile zum Einsatz kommen und bestehende weggelassen werden. Wie ein Lego-Universal-Baukasten, mit Bauanleitungen für verschiedene Modelle – und der Möglichkeit, beliebig viele eigene zu erfinden und sie mit anderen Baukästen zu kombinieren. Der einzige Unterschied: In unseren Systemen gibt es keinen Teil doppelt. Wir forcieren Wiederverwendung, wo Wiederverwendung möglich ist. Um Komplexität zu reduzieren und Konsistenz zu wahren.
3. Wandelbar ≠ chaotisch: Flexibilität lässt Raum. Aber niemals für Willkür.
Future Friendly heißt, für heutige und zukünftige Anwendungen Flexibilität zu bieten und Systeme zu entwickeln, die wandelbar bleiben. Flexibel bleiben bedeutet, Strukturen erweiterbar zu halten und nicht auf ein festes Set an Datenfeldern zu reduzieren. Flexibel bleiben bedeutet auch, Regeln anzupassen, zu ergänzen oder zu überschreiben, wenn sich der Kontext ändert, in dem sie greifen. Flexibel bleiben bedeutet allerdings nicht, völligen Freiraum zu haben oder die Option, in Chaos zu münden. Systeme sind per Definition niemals beliebig. Ausnahmen werden zu neuen Regeln. Auch Wildcards oder Joker folgen einer Logik. Wie weit oder eng Flexibilität gefasst ist, bleibt abhängig vom übergeordneten Prinzip eines Systems. Flexibilität wird aber niemals Willkür.
Fazit
Disruption folgt keinen Standards und Prozessen. Umso wichtiger für uns, zukünftige Standards möglich zu machen, ohne sie zu kennen. Wir lösen dies über ein flexibles Grundgerüst von Daten und Content sowie Gestaltung und Code, welches zur einfachen Weiterverwendung allen relevanten Stakeholdern verfügbar gemacht wird.
Neben dem User, der Inhalt konsumiert, berücksichtigen wir auch den User, der Inhalt erstellt. Und auch User wie uns, die Inhalt in einen neuen Kontext bringen. Wir müssen jedem einzelnen Teil dieser Kette dabei helfen, Inhalte richtig zu strukturieren und ihnen Orientierung geben, wie unsere Regeln in einem neuen Kontext berücksichtigt und ausgebaut werden können.
Nur so können wir sicherstellen, dass die Datenqualität hoch ist, Design konsistent bleibt und eine User Experience im gesamten Ökosystem optimiert wird. Unsere Systeme sind nur dann nachhaltig, wenn sie es so einfach und komfortabel wie möglich machen, keine Fehler zu begehen und wiederzuverwenden, was wir zur Wiederverwendung vorgesehen haben.
Unternehmen, die dieses System einmal etabliert haben, werden beim nächsten Relaunch, beim nächsten Add-On oder bei der nächsten Device-Integration deutlich weniger Hürden zu nehmen haben.