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Erlebnismarketing-Comeback: Wieso sich der große Auftritt gerade jetzt lohnt

Wir zur Lage der Kommunikation – alles tbd. Heute: Tanja Sanghera über Experiential Marketing in Krisenzeiten

Tanja Sanghera

Tanja Sanghera

Nach zwei Jahren pandemiebedingter Eventpause ist der Hunger nach greifbaren Erlebnissen so stark wie nie. Besonders große Konsumgütermarken können die Gunst der Stunde nutzen – und sollten trotz Inflation und drohender Rezession in Experiential Marketing investieren.

Wer im Mai durch die Hamburger Messehallen wandelte, konnte es deutlich spüren: diese Aufregung, neu erwachte Begeisterung und ja, auch die Erleichterung einer ganzen Branche. Nach zwei Ausfällen wegen Corona feierte das OMR-Festival 2022 ein fulminantes Comeback – Besucher:innenrekord inklusive. Das lag sicherlich auch an vielen spannenden Vorträgen und prominenten Gästen, darunter Quentin Tarantino oder Ashton Kutcher. Doch worüber man noch Tage und Wochen später auf unseren Agenturfluren sprach, war der überraschende Mittagspausenauftritt von Rapper Marteria. Oder wie Deichkind passend zu ihrem Song in einem Fass über das Gelände rollten. Endlich wieder etwas erleben – und das hautnah mit anderen teilen. Noch nie war die Sehnsucht nach solchen Experiences gepaart mit zwischenmenschlichen Verbindungen so groß wie jetzt.

Eine gute Idee: Marken mit allen Sinnen erleben

Ein Umstand, den sich gerade große Marken und Unternehmen zunutze machen sollten. Und das schon tun: Parfümerie-Kette Douglas und Premium Brand Hugo Boss schossen tausende von (Papier-)Schmetterlingen , die nach dem neuen Boss Bottled Parfum rochen, bei einem Konzert in die jubelnde Menge. Und Fanta lädt passend zu Halloween in das Kölner Supercandy Pop-up Museum  ein, um sich vor Ort ordentlich zu gruseln und in Workshops mit verschiedenen Influencer:innen Kostüme zu basteln, Snacks zu kreieren und dabei den ein oder anderen Schluck prickelnde Orangenlimo zu genießen.

Die jungen Wilden wollen Wildes erleben

Der erste Grund, warum Erlebnismarketing also gerade wieder durch die Decke schießt, liegt auf der Hand: Die Strategie trifft auf fruchtbaren Boden. Und das besonders bei der Zielgruppe der Zukunft, der Generation Z.

Für uns alle waren speziell die ersten zwei Pandemiejahre anstrengend. Doch für kaum eine Gruppe waren sie wohl so einschneidend wie für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Kein Wunder, dass diese Generation, die platt ausgedrückt zwei Jahre ihrer Jugend verloren hat, ganz akut dem Hedonismus frönen mag. Über die Hälfte der befragten Vertreter:innen der Gen Z gaben in einer unserer Teengeist-Studien  an, im Hier und Jetzt ein gutes Leben führen zu wollen. Junge Menschen möchten etwas erleben und es teilen – mit Freund:innen, aber auch in den sozialen Medien. Marken und Unternehmen müssen hier nur die Angel mit einem Köder zum Anfassen auswerfen und profitieren im besten Fall von kostenlosem, User-generierten Content.

Erlebnismarketing ist eine Love-Love-Strategie.

Tanja Sanghera, Competence Lead FMCG & Retail

Von Markentreue bis Sichtbarkeit: Erlebnismarketing ist eine Love-Love-Strategie

Doch Erlebnismarketing ist nicht nur ein wiedererstarktes Tool der Stunde. Das zweite Argument dafür: Es kann ungemein dabei helfen, die Brand Loyalty zu erhöhen – vor allem bei Konsumgütern. In Zeiten, wo der ritualisierte Griff zum Markenprodukt immer häufiger in Frage gestellt wird, ist das extrem wichtig. Im Zuge der Inflation erstarken Eigenmarken, Konsument:innen machen Abstriche. Wo sie das tun, liegt auch in der Hand von Unternehmen. Die Kraft des Experiential Marketing besteht darin, die Bindung zum Produkt und zur Marke zu erhöhen; Konsument:innen können direkt mit ihnen interagieren. Das schafft Vertrauen und hallt nach – und der Griff im Supermarkt wandert doch wieder eine Etage weiter nach oben statt zur Bückware.

Den dritten Punkt, warum Marken auf Erlebnisse setzen sollten, gibt der Handel vor. Ein guter Platz im Regal war schon immer hart umkämpft. Doch jetzt mischen da auch noch die bereits erwähnten starken Eigenmarken mit. Der Weg zur Pole Position im Handel führt über die Konsument:innen und ihre Nachfrage. Ziel muss sein, dass es sich ein gut sortierter Supermarkt gar nicht leisten kann, bestimmte Produkte nicht zu listen – weil das mindestens eine irritierte Kundennachfrage, maximal einen waschechten Shitstorm nach sich zieht. Die Kraft der Emotionen, auf die beim Erlebnismarketing gesetzt wird, entfaltet hier ihr volles Potenzial.

Liebe Marken – wenn nicht jetzt, wann dann?

Zusammengefasst lässt sich also sagen: Experiential Marketing passt zum Zeitgeist, stärkt die Marke und gleichzeitig die Position im Handel. Es gibt aber noch einen weiteren Grund, warum besonders große Konsumgüterunternehmen gerade jetzt darauf setzen sollten – weil sie es können. Und zwar im Gegensatz zu ihren schärfsten Konkurrent:innen. Der jüngst publizierte Start-up-Monitor  belegt die aktuell negative Stimmung unter jungen Unternehmen. Gingen 2021 noch mehr als sieben von zehn Start-ups von einer guten Entwicklung des Geschäfts aus, schrumpfte diese Zahl 2022 auf nur noch 54,2 Prozent. Bereits 43,8 Prozent klagen über Finanzierungsengpässe. Ob und wie widerstandsfähig Gründer:innen sind, lässt sich aktuell noch nicht sagen. So viel aber schon: Ein Großteil des Budgets fließt derzeit wohl nicht unbedingt ins Marketing. Die Großen können dagegen punkten und ihren Marketshare vergrößern oder zurückerobern. Deshalb lohnt es sich für sie, trotz wirtschaftlich unruhigen Zeiten in (Erlebnis-)Marketing zu investieren. Denn wenn nicht jetzt – wann dann?

Über die Autorin

Tanja Sanghera ist Competence Lead FMCG & Retail bei fischerAppelt. Gute Stories suchte sie früher als Promireporterin am roten Teppich – heute für Produkte vom Aufstrich bis zur Zahnpasta.