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Von * und : – wie viel Gender muss sein?
Wir zur Lage der Kommunikation – alles tbd. Heute: Corinna Kreiler übers Gendern.
Geschlechtersensible Sprache erregt die Gemüter – und doch kommen Unternehmen daran heute kaum vorbei, sich Gedanken zu machen. Wie finden Betriebe eine gendersensible Sprache, die zu ihnen passt? Müssen sie das überhaupt?
Liebe Kunden, liebe Kundinnen und Kunden, liebe Kund:innen, liebe KundInnen, liebe Kund*innen… – wie handhaben Sie das aktuell? Wer sich als Unternehmen heute an die Öffentlichkeit wendet, steht vor eine Vielzahl von Varianten zur Ansprache. Diese verraten viel darüber, welche Haltung Verantwortliche im Betrieb in puncto Diversität an den Tag legen. Nicht wenige zerbrechen sich deshalb den Kopf: Wollen wir überhaupt gendern? Wenn ja, wie gehen wir das an? Wie werden unsere Kund:innen, Bewerber:innen, Mitarbeiter:innen darauf reagieren, wenn wir es tun oder lassen? (Wie Sie sehen: Auch bei fischerAppelt ist gendersensible Sprache angekommen. Wir gendern mit dem Doppelpunkt.)
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Schon aus Eigennutz sollten Unternehmen sich an das Thema Gendern herantrauen.
Einst steht fest: Das Thema Gender erhitzt die Gemüter. Bewahrer (überwiegend sind es Männer) der deutschen Sprache, die um die Lesbarkeit von Texten fürchten, streiten sich mit denjenigen, die Frauen und das dritte Geschlecht sichtbar machen wollen. Der Duden, die Instanz der deutschen Rechtschreibung, hat mittlerweile Fakten geschaffen und gendert in seiner Online-Variante, nennt also gleichberechtigt männliche wie weibliche Formen. Diese Entscheidung hat dem Verlag Lob und Kritik eingebracht.
Wer sich also als Unternehmen entscheidet, Texte in gendersensibler Sprache zu verfassen, muss sich auf Gegenwind gefasst machen. Das darf allerdings kein Grund sein, die Hände sinken zu lassen. Schon aus Eigennutz sollten Unternehmen sich an das Thema herantrauen. Denn dafür gibt es gute Gründe:
1. Wer in Zukunft gute Mitarbeiter:innen möchte, muss gendern!
Die Annahme, Frauen fühlten sich beim generischen Maskulin „mitgemeint“ (wenn also nur von Kunden die Rede ist statt von Kundinnen und Kunden), stimmt nicht. Das belegen zahlreiche Studien. Sind Texte ausschließlich in männlicher Form verfasst, fühlen sich Frauen schlicht nicht angesprochen. Wer also beispielsweise bei Stellenanzeigen oder Marketing-Botschaften stur beim generischen Maskulin bleibt, verzichtet freiwillig auf Bewerberinnen sowie Kundinnen und kommuniziert an seinen Mitarbeiterinnen vorbei. Diese Ignoranz gegenüber fast 51 Prozent der Bevölkerung muss man sich als Unternehmen dauerhaft leisten wollen und können – gerade in Zeiten des Fachkräftemangels. Zudem schläft die Konkurrenz nicht: Je mehr Betriebe gendersensible Sprache umsetzen, umso mehr fallen diejenigen auf, die es nicht tun.
2. Wer gendert, ist profitabler.
Gendersensible Sprache gibt Unternehmen die Gelegenheit, inklusive Arbeitsumgebungen zu schaffen. Diversität kann so wirklich gelebt werden, was wiederum dem Geschäftserfolg zugutekommt.
Das belegen Studien wie diese der Unternehmensberatung McKinsey: Je diverser ein Betrieb aufgestellt ist, umso profitabler ist er. Gendersensible Sprache zahlt sich also finanziell aus.
3. Gendern auf Kosten der Verständlichkeit? Von wegen!
Die Sorge um die Lesbarkeit von Texten in gendersensibler Sprache ist unbegründet, wie eine grundlegende Studie aus dem Jahr 2007 belegt: Dabei wurde die Packungsbeilage eines Medikaments auf dreierlei Art getextet: mit generischem Maskulinum, Nennung beider Geschlechter sowie Neutralformen (also etwa Fachkräfte statt Experten). Die Teilnehmerinnen wie die Teilnehmer der Studie fanden alle drei Varianten gleich gut verständlich. Allerdings gefiel den Männern die generisch maskuline Version besser.
Also her mit den Sternchen und Doppelpunkten? Nicht unbedingt. Unternehmen sollten zuerst intern ein Bewusstsein für das Thema zu schaffen – und sich fragen, mit welchen Stakeholder:innen man es zu tun hat und was deren Bedürfnisse sind. Anschließend ist es ratsam, eine Variante der gendersensiblen Sprache zu finden, die zu seinem selbst und den Angesprochenen passt.
Und es ist auch völlig in Ordnung, wenn Sie am Anfang mit einer Lösung aufwarten, die nicht alles erfasst. So könnte ein Weg der gendersensiblen Sprache beispielsweise sein, in Texten zwischen Geschlechtern abzuwechseln – und an einer Stelle beispielsweise vom Arzt, an einer anderen von einer Ärztin zu sprechen, um nicht immer „Ärztinnen und Ärzte“ schreiben zu müssen. In der direkten Anrede sollten dann selbstverständlich beide Geschlechter genannt werden. Das praktizieren zum Beispiel die Medien „Die Zeit“ und „Der Spiegel“. Aber auch hier gibt es nach Angaben der Redaktion Kritik – vor allem von Männern.
Eines ist jedoch so klar, wie es die Debatte um das Gendern in Deutschland nicht ist: Den Königsweg, der alle zufriedenstellt, gibt es nicht. Wir raten deshalb: Einfach mal anfangen und auch für Kritiker:innen offen sein. Es lohnt sich.
Über die Autorin
Schon als Kind war Journalistin der Traumberuf von Corinna Kreiler. Nach Stationen bei Spiegel Online und der Financial Times Deutschland entschied sie sich allerdings doch für eine Karriere in der PR. Als Head of Editorial Content liebt sie heute die Schönheit der Sprache noch genau wie früher, gibt Tipps und Denkanstöße.