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Wie sich Marken wirksam auf der CES positionieren
So werden Innovationen auf großen, internationalen Messen wahrgenommen
Während die CES in den 60er Jahren als Konsumelektronikmesse gegründet wurde, gilt sie heute mit mehr als 4.400 Ausstellern als eine der wichtigsten internationalen Plattformen für Innovationen und Mobilität. Automotive hat sich in den letzten Jahren zu einem wichtigen Teil der Messe entwickelt, mit starkem Fokus auf Elektromobilität, Infotainment, Telematik, autonomes Fahren und zukünftige, visionäre Mobilitätsangebote. So ist es nicht verwunderlich, dass selbst deutsche Autohersteller die CES für Weltpremieren nutzen, so geschehen in diesem Jahr beispielsweise mit dem Mercedes-Benz Konzeptfahrzeug Vision AVTR – inspiriert vom Film „Avatar“. Aber auch seriennahe Konzepte wie der MetroSnap von Rinspeed, präsentiert zusammen mit Osram, finden sich auf der Messe.
So vielfältig die Messe heute ist, so unterschiedlich sind die Präsentationen der Hersteller. Dabei geht es allermeistes um die Frage: Wie positioniert und präsentiert man Innovationen geschickt auf einer großen, internationalen Messe wie der CES? Unsere Vorstände Bernhard Fischer-Appelt und Matthias Wesselmann waren vor Ort und zeigen drei strategische Kernpunkte auf, die sich beim Betrachten der Kommunikation und Präsenz herauskristallisieren.
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Was ist das Narrativ?
Zuallererst geht es um das Innovations-Narrativ, sozusagen die Strategie des Messeauftritts als Story. Beispiel Sony: Der japanische Elektronikkonzern zeigt auf der CES ein Konzept für ein Elektroauto. Viele deutsche Medien sehen darin den nächsten Angriff auf die heimische Automobilindustrie. Doch das Narrativ von Sony ist ein gänzlich anderes: Sony wird kein eigenes Fahrzeug auf den Markt bringen. Sony zeigt mit seinem Fahrzeug die eigene Innovationsstärke, die über ein Mock-up hinausgeht. Die Marke positioniert sich als verlässlicher Partner und Zulieferer für die Automobile der Zukunft. Die Japaner zeigen mit ihrem Vision-S ein Artefakt für den Paradigmenwechsel in der Automobilindustrie, weg von Blech und Pferdestärken, hin zum elektronischen Innenleben mit aufwändigem Infotainment, intelligenter Sprachsteuerung, großen Displays, 3D-Sound und Internet-of-Things. In Sonys Konzeptfahrzeug kann beispielsweise jeder Mitfahrer eine andere Musik hören – ohne Kopfhörer.
Wie ist die Flugbahn?
Die zweite Frage, die es zu beantworten gilt, ist die Flugbahn: Woher kommt die Marke, wohin will sie mit dem Auftritt auf der CES und wie groß muss die Flughöhe dafür sein? Beispiel Hyundai: Die Koreaner nutzen die CES nicht zur Produktshow. Der Hyundai-Stand präsentiert aufwändig und durchaus glaubhaft eine Vision der Mobilität der Zukunft – mit fliegenden Hybriden aus Helikopter und Flächenflugzeug, mit selbstfahrenden Kabinen für unterschiedliche Nutzungs-Szenarien und einer Software, die alles verzahnt. Auch wenn die ausgestellten Exponate sehr gut gemachte, aber nicht funktionsfähige Mock-Ups sind, vermitteln sie die Vision und, nicht zu vergessen, bieten ein hervorragendes Fotomotiv. Der beeindruckend aufwändig produzierte Film präsentiert das Narrativ der Vision. Hyundai geht seine Flugbahn in die Zukunft von außen nach innen an, von einer großen Vision, die die notwendigen Produkte definiert. Daimler definiert seine Flugbahn dagegen von innen nach außen und entwickelt vom Detail her. Das funktionsfähige Konzeptfahrzeug Vision AVTR fokussiert sich auf die Interaktion zwischen Menschen, Maschine und Natur. Mercedes zeigt in vielen Details, eben inside-out, wie diese Vision funktionieren kann wenn amerikanische Filmkunst auf deutsche Ingenieurkunst trifft: über neuartige Reifen, die einen sogenannten Krebsgang bei kleinstmöglicher Bodenbelastung ermöglichen, mit einer organische Batterie auf Graphenbasis oder mit bionischen Klappen für eine bessere Aerodynamik.
Wie ist der Ethos?
Dritter beachtenswerter Aspekt ist das Ethos und damit sozusagen die Antwort auf die Frage: was nimmt man der Marke ab. Hier wird klar, dass Daimler seine Hausaufgaben gemacht hat, Hyundai aber nicht. Denn während man bei Mercedes durchaus auf die Idee kommen könnte, dass Vision AVTR ein Ausblick auf die S-Klasse in 50 Jahren ist, spürt man bei Hyundai wenig. Denn die gezeigte Vision der Zukunft, auch wenn sie hervorragend präsentiert ist und die Flughöhe stimmt, hat keinerlei Verbindung zur Marke Hyundai. Die Idee ist auf höchstem Niveau entwickelt, die Marke dahinter austauschbar. Auch Blaupunkt wirkt so. Die ehemalige große Deutsche Traditionsmarke ist zu einer seelenlosen Hülle geschrumpft, kontrolliert von einem Finanzinvestor. Der verkauft Lizenzen zur Nutzung der Marke auf den unterschiedlichsten Produkten – vom Fernseher bis zum Rasenmäher, vom Kühlschrank bis zur Bohrmaschine. Anders dagegen Panasonic oder Nikon. Auch wenn beide Marken vor allem ihre Produkte und Lösungen präsentieren spürt man im Auftritt die Seele, die Verbindung zwischen Marke und Produkt.
Die Kommunikation als verzahnendes Element
Zukunftsnarrativ, Projekt mit einer Flugbahn und -höhe und der Ethos dahinter, das beschreibt eine Innovation ebenso stark, wie die pure Technologie dahinter. Und deshalb verbindet die Bestandteile einer Technologie eben nicht nur Lötstellen und Softwareschnittstellen, sondern vor allem auch Kommunikation. Eine gute Geschichte als Verbinder garantiert zwar noch nicht den Erfolg, ist aber Grundvoraussetzung für die Verständlichkeit und sollte deshalb zu den ersten Ansatzpunkten in der Entwicklung von Innovationen gehören und nicht zu den letzten. Wie es geht, zeigt Mercedes beim Typus der Inside-Out Innovationen:
Einerseits bei der Auswahl des Films „Avatar“ als Inspirationsquelle für das Produkt: Das Produkt kommt aus Pandora, einem utopischen Land, das alle kennen, die den Film „Avatar“ sahen und damit sogar passende Bilder des imaginären Planeten im Kopf haben. Nach dem Weltpremieren-Event ließ Daimler das Fahrzeug über den berühmten Strip in Las Vegas fahren – eine Live-Experience, die für einen entsprechenden Social-Media-Buzz sorgte und beeindruckende Bilder hervorbrachte. Parallel dazu erschien ein Interview mit Mercedes-CEO Ola Kallänius und „Avatar“-Schöpfer James Cameron in der F.A.Z. am Mittwoch nach der Fahrzeugpräsentation. Am Donnerstag ein dreiseitiger Artikel in der AutoBILD. Da die deutschen Medien hingegen vom Narrativ des „5-vor-12“ leben und die Autoindustrie am Rande des Untergangs sehen, ist der Typus der Avatar-Vision nur ein Thema aber eines welches vielleicht stärker inspiriert als all die Dystopien.